en The Game Formerly Known as Hidden Nazi Mode (09/2010) 
(Auch: Fluffy Bunny Friends)

Textadventure ★★★★★★☆☆☆☆   [?]
von Victor Gijsbers
Publisher:keine

Der Spieler dieses harmlosen Kinderspiels hat Häschen mit Karotten zu füttern. Das dem Download beiliegende dreiseitiges PDF-Essay geht auf Intransparenz in IF-Spielen ein. Das Spiel ist in deutscher Übersetzung verfügbar.

Review von proc 13.09.2010

Plattform:Z-Code
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» Themen » Spiele für Kinder
» Technik » Quelltext verfügbar » Inform 7 » I7 englisch

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Dieser Beitrag enthält Spoiler, die den Spielspaß verderben. Wer das Spiel noch nicht gespielt hat, sollte nicht weiterlesen.

Was ist das nur für ein Spiel: Keine Braunhemden, kein Stechschritt, nicht eine einzige rotweiße Flagge bedeckt eine Hausfassade. Im Gegenteil, das Spiel bietet ein kleinstädtisches Setting sogar mit einem Tante-Emma-Laden, in dem der Bauer die Zwiebeln offenbar noch in großen Säcken anliefert. Der Spieler lungert mit einigen Karotten in der Tasche an einer Bushaltestelle herum und wartet auf den nächsten Bus, der ihm noch Zeit für eine kleine Erkundung lässt. Sie bietet sich nicht nur an, sie drängt sich geradezu auf: Das Spiel ist für Kinder geschrieben und enthält fast schon zu viele Hinweise, wie es zu bedienen ist und was als nächstes ausprobiert werden könnte. Die Mission wird schnell geäußert: finde sechs hungrige Häschen, die sich verängstigt in der Gegend versteckt haben, und füttere sie mit dem einzigen Inventar. Die ersten Kuscheltiere sind schnell gefunden und satt, gegen Ende werden die Rätsel schwieriger, bleiben aber wegen der vielen Hinweise auch für Einsteiger lösbar. Das Spiel ist profund implementiert und wird mit dem nur 300-zeiligen Inform 7-Quelltext verbreitet, dessen Lektüre angehenden Autoren eine willkommene Lektion in sauberer Implementierung sein dürfte.

Der junge Leidener Physiker und Wissenschaftsphilosoph Victor Gijsbers ist bereits mehrfach durch experimentelle Werke und Essays zur IF-Theorie aufgefallen. So veröffentlichte er zeitgleich mit diesem Spiel das kollaborative und Story-freie Werk The Art of Fugue, in dem das musikalische Kompositionsprinzip, das Johann Sebastian Bach auf die Spitze trieb, auf die zeitliche Handlungsfolge der Charaktere übertragen wird. Oder wie Andrew Plotkin es ausdrückt, auf das  Pacing. In Figaro muss sich der Spieler durch laufende Entscheidungen über die Zusammensetzung der Spielewelt seine eigene Welt bauen und erhält damit eine für IF-Spiele ungewohnte Freiheit, die letztlich zum Inhalt des Spiels wird.

Da setzt The Game Formerly Known as Hidden Nazi Mode an: Dem Spiel ist ein Essay »Hidden Nazi Mode – Anatomy of a Failure« beigefügt, in dem es um den Unterschied zwischen offenen Medien wie Bücher oder Filme und den »geschlossenen« Spielen geht: Solange der Quelltext der Spiele nicht verfügbar ist, kann das Spiel gar nicht vollständig »gelesen« werden. Gijsbers nennt dies »Transparenz« und behauptet, das Spiel habe unter dem ursprünglichen Titel »Fluffy Bunnies« zunächst einen völlig anderen Inhalt gehabt: Das niedliche Häschen-Spiel kippt in der Erstversion in einen weniger niedlichen Modus, wenn der Spieler "heil hitler" eintippt. Dies sollte die Intransparenz eines Kinderspiels auf dramatische Weise demonstrieren.

Der Fehlschlag des ursprünglichen Spiels bestand nach Gijsbers Ausführungen im kulturellen Kontext, der zu moralischen Diskussionen bis hin zu Verbotsforderungen führte. Ob sich alles so abgespielt hat wie im Essay beschrieben, spielt an sich keine Rolle: Man könnte Spiel und Essay in der Tradition der concept-art auffassen und ihm glauben, er habe dann das gesamte Nazi-Zeug rausgenommen, »Fluffy Bunnies« umbenannt in »The Game Formerly Known as Hidden Nazi« und schließlich dieses übgriggebliebene Skelett eines niedlichen Kinderspiels veröffentlicht. Mit Erscheinungsdatum 9/11. Dem Inbegriff der Intransparenz.

Zuletzt geändert am 13.09.2010 13:53 Uhr.

The Game Formerly Known as Hidden Nazi Mode
Cover-Artwork