en Caroline (10/2014)

Multiple Choice-Textadventure ★★★★☆☆☆☆☆☆   [?]
von Kristian Kronstrand
Publisher:keine

Eine Romanze endet in einer religiösen Bekehrung.

32. von 42 Plätzen auf der 20. IF-Comp 2014.

Review von Mikawa 23.10.2014
Review von proc 06.10.2014

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» Genres » Romanze
» Themen » Religion
» Internationale Wettbewerbe & Projekte » Interactive Fiction Competition » 20. IF-Comp 2014

Review von proc 06.10.2014     ausblenden

Dieser Beitrag enthält Spoiler, die den Spielspaß verderben. Wer das Spiel noch nicht gespielt hat, sollte nicht weiterlesen.

Der Spieler wird von Caroline im Restaurant angebaggert. Schön und gut, aber nach spätestens einem Durchspiel will ich diese religiös-fanatische Schlampe loswerden. Das klappt nicht, denn das Spiel will aus mir einen Teil der »Church of the Second Messiah« machen. Aus dieser Nummer komme ich beim schlechtesten Willen nicht mehr heraus. Dass die Handlung schon im zweiten von vier Kapiteln ins Religiöse kippt, kann mit viel Fantasie als Bible Retold-Horrorpersiflage gelesen werden, tendiert aber zu einem ernstgemeinten Bekehrungsstück.

Völlig daneben erscheint dabei das Goethe-Zitat eingangs: »Choose well. Your Choice is brief, and yet Endless.« ist die extrem freie  Carlyle-Übersetzung einer Passage des Goethe-Gedichts » Symbolum« von 1815 mit dem Originalinhalt »Versäumt nicht zu üben / Die Kräfte des Guten!«, in dem es um die eindrucksvolle rituelle Erhebung des russischen Generaladjutanten Caspar von Geismar zum Freimaurermeister dritten Grades geht, der Weimar vor der napoleonischen Zerstörung bewahrt hatte. Auch andere Eingangs-Details passen nicht zu einer Bekehrungsstory: Caroline baggert unzweideutig und ich kann mit ihr sogar unehelich rumknutschen, was ebenfalls einer fundamentalistisch-religiösen Geschichte unwürdig erscheint. Schließlich kann eine Inquisitionspassage der Priesterin mitten im Stück über Küssen und Beischlaf nur von einem Irren ernstgemeint sein.

Vor einem weltlichen Hintergrund gelesen beginnt die Story stimmig: Caroline macht sich beim abendlichen Restaurantdinner bei Rotwein an mich ran, verfressen wie sie ist will sie das ganze Menü bestellen, hält mich für geizig, qualmt davor dann auch noch und will vorzeitig gehen, um mich am nächsten Tag zum Dinner bei ihr zuhause einzuladen. Das klappt ja überprächtig, wobei unter ihren vielen Büchern dann nur das Neue Testament auffällt. Die Pink Floyd-Liebhaberin und Verlagsassistentin wehrt schließlich einen Liebessturm aus Gründen ab, die sie erst morgen im Hydra Park erzählen will. Denn dort hat sie Heimvorteil: Eine Kirche, aus der es kein Entrinnen mehr gibt. Ist Caroline möglicherweise eine geheime Verführerin, ein werbespotartiger Dämon dieser Kirche?

Ich gab auf, weil ich zweimal in wohl programmiererseitige Deadends stieß und irgendwann einfach keine Lust mehr auf diesen linearen Unsinn hatte, der sich in zehn Minuten durchspielen lässt. Die letzte Hälfte liest sich bis zum Brechreiz pseudoreligiös, wobei die Church ohne weiteres gegen die Freimaurer ausgetauscht werden könnte zumal es um Gemeinschaftsrituale geht und nicht um den rechten Glauben. Mir ist nicht klar, was der Autor sagen will, Caroline wirkt zu janusköpfig für ein religiöses Manifest und zu religiös für eine Persiflage. Beachtenswert ist allenfalls das selbstgestrickte JavaScript-System, das statt Klicks vorgegebene Spielereingaben erwartet. Das wirkt zwar auf den ersten Blick ziemlich unsinnig, hat aber eine beträchtliche psychologische Wirkung: Die Eingabe von KISS CAROLINE brennt sich im Gehirn stärker fest als ein einfacher Klick darauf. Das war's bei dieser Geschichte dann aber auch schon.

Zuletzt geändert am 05.10.2014 23:15 Uhr.

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