de Der Finale Tag (04/2025)

Textadventure ☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆
von Michael Wittmann
Entwickler:Michas Games
Publisher:Michas Games

Im Jenseits wirst du vor dem Antritt eines neuen Lebens beurteilt. Keine Sorge, du kannst dabei nicht sterben.

Beitrag zum IF Grand Prix 2025.

Review von proc 16.05.2025

Plattformen:Twine, Online
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» Genres » Surreal
» Technik » Sound
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Review von proc 16.05.2025     ausblenden

Dieser Beitrag enthält Spoiler, die den Spielspaß verderben. Wer das Spiel noch nicht gespielt hat, sollte nicht weiterlesen.

Der Finale Tag ist ein multimedial umhülltes Twine-Spiel, das mit humorvollem Anspruch die Absurditäten einer bürokratischen Jenseitswelt zeigt. Man durchläuft eine skurrile Befragung durch gelangweilte Beamte, deren Einschätzung über die nächste Wiedergeburt bestimmen soll. Schnell wird deutlich: Entscheidungen haben kaum Konsequenzen, echte Twists fehlen, technische Fehler, die sprachliche Ausführung und eine distanzierte erzählerische Strategie verhindern die Immersion.

Twine ist ein schwieriges Gelände, die Immersion entsteht durch eine packende Story und Entscheidungsmöglichkeiten mit nachvollziehbaren und im weiteren Verlauf spürbaren Konsequenzen. Beides fehlt, ein fremder Erzähler leitet die Spielerfigur und der inhaltliche Mix aus Behördenulk und religiösen Versatzstücken mit der Andeutung von existenziellen Themen bleiben widersprüchlich. Konkret im Einzelnen:

Technisch
haben der Textgesang und die in Teilen irritierenden Zeichnungen abgelenkt; die deaktivierte Back/Forward-Navigation im Browser hat das Ausprobieren verschiedener Wege verhindert, was einen immer neuen Durchgang durch lange Texte notwendig macht.

Sprachlich
ging es mit bunten Adjektiven belehrend zu, etwa mit »duftendem Wasser«, von dem ich gesagt bekomme, »einen tiefen Schluck« zu nehmen obwohl ich an Gülle denke und auch keine Limonade mag. Meine Blicke seien »gequält«, heißt es, mein Schnauben »genervt«, mein Grinsen »hämisch« u.v.m., ich kann mich in keiner Weise mit der Spielerfigur identifizieren und beginne sie irgendwann zu hassen. Die ins Auge springenden Tippfehler und JS-Fehlermeldungen vermitteln, dass mehr am Drumherum gefeilt wurde als an Text und Story.

Erzählerisch
scheint die Story nicht völlig durchdacht. Mal ist die Punktezahl entscheidend für eine Reinkarnation, dann wieder »völlig bedeutungslos«, wie der Dienststellenleiter bemerkt. Erinnerungen ans frühere Leben existieren nicht, gleichzeitig kritisiert jener Blockwart die menschliche Neigung, über Vergangenes zu grübeln. Auch sei der Zeitdruck groß obwohl er sich selbst als Meister der Zeitverschwendung gibt, wenn es um die ausführlichen Erklärungen, Schilderungen, Erläuterungen und Belehrungen zu seinem Amtsbereich geht. Das Gerüst dieser seltsamen Welt besteht aus religiöser Motivik, was für sich eine gute Idee ist, deren inhaltliche Beliebigkeit aber kaum überzeugen kann. Das katholische und ostchristliche Marketingkonzept des Fegefeuers für eine hörige Untertanenschaft, von Luther vor fünf Jahrhunderten abgeschafft, kennen andere Religionen nicht; umgekehrt stammt das Konzept der Reinkarnation aus fernöstlichen Verhaltensregeln für ein gutes Leben und wird von allen monotheistischen Religionen abgelehnt. In den widersprüchlichen Prämissen bleibt der endgültige Zustand der Seligkeit in einem durch Reinkarnation überflüssigen Gott stecken, was auch dem Fegefeuer die Grundlage entzieht, obwohl unser Blockwart es als zentrales Konzept vermittelt. Der synkretistische Ansatz »wir nehmen ein bisschen von allem und mixen ordentlich durch« hätte die überflüssige Triggerwarnung verdient und nicht das ohnehin wegreinkarnierte Jenseits.

Fazit
Eine interessante Grundidee, die als Zeitvertreib für die metamoderne TikTok-Generation-Z erzählt wird.

Zuletzt geändert am 16.05.2025 10:21 Uhr.

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