PataNoir (09/2011)
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von Simon Christiansen | |||
Publisher: | keine |
Die Tochter des Barons Ahrend von Bülow ist verschwunden. Der Spieler Douglas Reilly, bester Privatdetektiv der Stadt, wird um Hilfe gebeten. Spannende Ermittlungen mit innovativer Spielidee als Beitrag zur Interactive Fiction Competition 2011, der den 5. von 38 Plätzen erreichte, außerdem wurde es mit dem XYZZY Award 2011 Best Puzzles ausgezeichnet.
Marius Müller übertrug das Spiel im September 2013 ins Deutsche.
Plattform: | Glulx |
Downloadlinks: | ✦ ↗ Release 4 / Serial 121103 online spielen ✦ ↗ Release 1 / Serial 110925 / Comp-Version online spielen ↗ Glulx |
Spoiler: | ↗ Walkthrough |
Weblinks: | ↗ Review von Hannes Schüller vom 14.11.2011 ↗ IFDB ↗ IF-Wiki |
» Genres » Krimi » detektivisch
» Spieler-Charaktere » Detektiv
» Technik » Übersetzte Spiele » Englisch
» Internationale Wettbewerbe & Projekte » Interactive Fiction Competition » 17. IF-Comp 2011
» Internationale Wettbewerbe & Projekte » XYZZY Awards » XYZZY Awards 2011
Review von proc 09.10.2011 ausblenden
Dieser Beitrag enthält Spoiler, die den Spielspaß verderben. Wer das Spiel noch nicht gespielt hat, sollte nicht weiterlesen.
Ein typischer Anfang: Ich bin Douglas Reilly und sitze Klienten erwartend in meinem Detektivbüro. Die Erkundung des Zimmers mutet eigenartig an, als sei in diesem Spiel etwas anders als sonst in solchen Krimis. Ein Gesandter des Barons von Bülow klopft an und lädt mich zu einem Gespräch mit dem Baron in die Villa ein. Allein diese Intro habe ich eine Dreiviertelstunde gespielt, weil die Art, wie gespielt wird, eine ganz besondere Faszination erweckt.
Hier beginnen die Spoiler...
Von der spannenden Geschichte in der Villa des Barons, in einer Bar, einem Casino oder dem Appartement des Verdächtigen abgesehen, fallen eingangs vor allem die vielen Metaphern auf - gleich zwei davon in der ersten Raumbeschreibung. Beim Erkunden und Herumprobieren stellt sich heraus, dass die Metaphern ins Inventar übertragen werden können. Da ist zum Beispiel ein eingerostetes Rad am Schreibtischstuhl, rostig „wie geronnenes Blut“. Es lässt sich nehmen und wird im Inventar als „figuratives“ Blut abgelegt. Habe ich eine Weiß-wie-Marmor-Metapher dabei, kann ich sie dem Rad verpassen und plötzlich ist der Rost weg.
Dies erklärt das verwirrende Einstiegszitat des spanischen Schriftstellers und Musikers Pablo Lopez, in dem seine Wortneuschöpfung „↗ Pataphor“ erläutert wird:
„1. Eine erweiterte Metapher, die ihren eigenen Kontext erzeugt.
2. Das, was passiert, wenn der Schwanz einer Eidechse so lang gewachsen ist, dass er abbricht und eine neue Eidechse entsteht.“
In PataNoir können Metaphern innerhalb der metaphorischen Ebene verwendet werden, ein metaphorisches Messer schneidet beispielsweise ein metaphorissches Brot, nicht jedoch ein reales. Darüber hinaus – nun kommen die Pataphors ins Spiel – kann die Realität metaphorisch verändert und damit das Spiel beeinflusst werden. Ein Beispiel: Im Spielcasino muss ich mit dem Manager sprechen, komme aber nicht an ihn heran. Nun kann ich einem Mann an einem Pokertisch ein Superpokerface verpassen, indem ich ihm figuratives Marmor ins Gesicht metaphere. Steinern sitzt er nun da und sprengt nach einigen Spielzügen die Bank, der Manager wird herbeigerufen. Freilich vergesse ich nicht, die Marmor-Metapher wieder mitzunehmen, sie ist recht nützlich...
Das Spielprinzip geht soweit, in Metaphern ganz eintauchen und in ihrer surrealen Welt Lösungen finden zu können. So liegen im Appartement des Verdächtigen leere Schnapsflaschen herum, „die aus dem Boden ragen wie Minarette in einer verfallenen Stadt des Mittleren Ostens.“ Diese Stadt lässt sich nun betreten, man kann auf ein Minarett steigen, einen Gebetsruf brüllen und einen Bettler treffen, der mir eine weitere entscheidende Metapher mit auf den Weg gibt. In einer anderen Szene erhalte ich vom Baron nur dann weitere Informationen, wenn ich in einen gleichnishaften See hinabtauche und einen Schatz berge, der dem ewig ergrauten Gesicht des Barons schließlich eine goldenes Leuchten gibt und ihn munter plaudern lässt.
Das Spiel ist erstklassig implementiert, hin und wieder kam ich nicht auf Verben wie „poke“ und manchmal wird mit englischen Doppeldeutigkeiten gespielt, die für Fremdsprachler schwer zu durchdringen sind. Es ist auch schwer, ohne Hilfe in dieses Spielsystem hinein zu kommen. Mein alter ego Mr. Wesson ist aber immer bei mir und hilft mit Rat und bisweilen auch Tat. So kann er auch benutzt werden, Dinge zu erhalten, die ich nicht erreiche wie die Eiszapfen-Metapher, mit der ein Kronleuchter im Schmetterlingsclub beschrieben wird. Trotz dieses schwierigen Einstiegs ist das Spiel so faszinierend und reich an Details und Möglichkeiten, dass ich es für einen großen Favoriten der IF-Comp halte. Ein solches Spielkonzept habe ich noch nie erlebt und würde es nach meinem Kenntnisstand als innovativ einstufen wollen.
Zuletzt geändert am 09.10.2011 21:48 Uhr.