en Trapped in Time (09/2013)

Multiple Choice-Textadventure ★★★★★★☆☆☆☆   [?]
von Simon Christiansen
Publisher:keine

Ein dänischer Chrononaut versucht als Versuchskaninchen des Copenhagen Institute of Chronology eine Zeitschleife zu durchbrechen. Cleverer Spielbuch-Beitrag zur IF-Comp 2013, der den elften von 35 Plätzen belegte. Das Spielbuch ist in dänischer Sprache außerdem in der Science Fiction-Anthologie » Nær og Fjern« erschienen.

Das Spiel erhielt den XYZZY Award 2013 in der Kategorie Best Implementation.

Review von proc 05.10.2013

Plattform:Spielbuch
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» Genres » Science Fiction
» Spieler-Charaktere » Wissenschaftler, Arzt, Lehrer
» Themen » Zeitreise
» Internationale Wettbewerbe & Projekte » Interactive Fiction Competition » 19. IF-Comp 2013
» Internationale Wettbewerbe & Projekte » XYZZY Awards » XYZZY Awards 2013

Review von proc 05.10.2013     ausblenden

Dieser Beitrag enthält Spoiler, die den Spielspaß verderben. Wer das Spiel noch nicht gespielt hat, sollte nicht weiterlesen.

Der Protagonist geht in diesem Spielbuch-Beitrag als dänischer »Chrononaut« im Kopenhagener Institut of Chronology auf eine Zeitreise und verliert sich dabei in einer Zeitschleife, der es zu entkommen gilt. Ein außergewöhnicher Spielbuch-Beitrag schon von der Form her mit der Aufforderung, die 34-seitige PDF-Datei auszudrucken und mit einem Stift in der Hand zu lesen. Ein Proto-Textabenteuer im Stil der Vorcomputerzeit der frühen 70er Jahre, was gibt es da noch zu holen? Und vor allem: Was kann ein Spielbuch besser als Twine (hier pars pro toto für CYOA-Computerspiele insgesamt)?

Um den inhaltlichen Aspekt gleich abzuhaken: Es ist eine stimmige Zeitreise-Geschichte mit einer Reihe von unterhaltsamen, bisweilen überraschenden und spannenden Seitenlinien, die das Spielerwissen sukzessive erweitern und wiederum in neue Zweige oder vielmehr erweiterte Zeitschleifen führen. So lässt sich mit einer Chrono-gun herumballern, die Zeitmaschine sabotieren, mit Leuten reden, ein Computer hacken, mit den geklauten Zugriffscodes lassen sich zuvor verschlossene Türen öffnen und vieles mehr. Es macht richtig Spaß, in dieser Geschichte herumzureisen.

Der Autor steht seit vielen Jahren für innovative Spielideen, seinen IF-Comp-Beitrag 2011 PataNoir hat Marius Müller jüngst ins Deutsche übertragen. Die in diesem Spielbuch verwendete Methode scheint da keine Ausnahme zu machen, auch wenn das Verfahren nicht ganz neu ist: Die 73 Textelemente sind durchnummeriert und werden je nach Leserentscheidung aus den angebotenen Auswahloptionen angesprungen. Konsequent auf diese Weise verfolgt, spielen davon nur 13 Textelemente eine Rolle, die eine Haupt-Zeitschleife umrahmen. Mit neuem Spielerwissen kann dieser Zirkel aber durchbrochen oder zumindest erweitert werden. Das Verfahren ist simpel: Der Spieler erhält in gewissen Situationen ein Berechnungsverfahren, wie mit einem neuen Zustand diese Optionszahlen verändert werden, um weitere Textelemente anspringen zu können. Ein solcher Zustand ist beispielsweise die Kenntnis einer ID-Card, die fortan durch Addition von 10 zur genannten Chat-Option vorgezeigt werden kann, nach der ersten Zeitschleife kommt ein Zustand hinzu, wie anderen über die Erlebnisse berichtet werden kann, die Chrono-gun in Händen führt zu einem Verfahren für deren Anwendung usw. Und von diesen Zuständen gibt es reichlich, so dass man ohne Stift in der Hand schnell den Überblick verlieren kann.

Und oft geht es auch einfach nicht, ein Hinweis am Beginn eines auf diese Weise angesprungenen neuen Zweiges wie etwa You shoot Alex with the Chrono-gun zeigt, ob dieser Schritt »passt«. Die Essenz dieses Beitrags liegt aber geradezu in der Möglichkeit eines unmöglichen Schrittes. Der Spieler ist jederzeit in der Lage, die Zeitschleife zu durchbrechen, weil er versehentlich oder absichtlich einen falschen Schritt gehen kann: »Jedesmal wenn du schummelst und eine Sektion liest, die nicht genannt wurde, war das tatsächlich eine unbewusste Zeitreise« lautet das schnippische Fazit eines der Enden mit der Zusatzbemerkung, dass innerhalb der Spielelogik gar nicht alle Elemente erscheinen. Tatsächlich traf ich durch eine »Fehlberechnung« Hitler als Maler in Wien, und das Interesse erstmal geweckt, schummelt man sich auch gerne zu Nero im alten Rom oder dem schwarze Ritter durch und kann sogar einen Tyrannosaurus mit der Chrono-gun erledigen.

Gegenstand dieses Spiels wird damit ein Stückweit die Intransparanz in kodierten Computerspielen, worin sich Twine und Parser-IF grundsätzlich vom klassischen Spielbuch unterscheiden. Das Spielbuch ist ein vollkommen transparentes Spiel, dessen Quelltext gleichsam identisch mit dem Spiel selbst ist und dem Spieler offenliegt. Durch sein raffiniertes Nummerierungssystem verleitet es hier gar nicht zur Abweichung von den vorgegebenen Bahnen, erlaubt sie jedoch und fängt sie nicht weniger raffiniert auf, indem knapp ein Drittel des Inhalts gar nicht über die Spielelogik erschließbar ist und sich ausschließlich solchen Abweichungen widmet um sie dann in die Zeitschleife zurückzuführen. In Twine umgesetzt würde das Spiel überhaupt nicht funktionieren, da der Weg durch die Geschichte von einem völlig verblödeten Vollidioten überwacht wird, dem Computer. Twine erlaubt keinen Ausbruch aus den kodierten Wegen, verdeckt Inhalte durch Auslassung und Ausblendung absichtlich und unterscheidet sich darin grundsätzlich vom strukturell als doch so ähnlich empfundenen Spielbuch, das mit diesem Beitrag die fehlende Transparenz in Computerspielen in Form eines Gegenentwurfes geradezu haptisch spürbar macht, sofern es mit Stift und Papier gespielt wird. Dies auf eine derart kreative, spannende und witzige Weise, dass dieses Spiel zu den grandiosesten Beiträgen überhaupt in diesem Jahr gehören dürfte!

Zuletzt geändert am 05.10.2013 19:07 Uhr.

Trapped in Time
Cover-Artwork (2014)
Trapped in Time
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