Das drakonische Grinsen (04/2010)
Der Spieler steckt in der Psychiatrie fest und beschließt, noch heute auszubrechen. Der Weg führt über Abenteuer als Drache im Drachenwald zurück in die Psychiatrie. Das drakonische Grinsen erzielte den sechsten Platz beim Grand Prix 2010.
Plattformen: | BASIC, PC (DOS), Selbstausführend |
Downloadlinks: | ↗ PC (DOS) ↗ Alle Comp-Beiträge |
Weblinks: | ↗ Kurzbericht von Marius Müller 08.06.2010 ↗ Review von Jörg Rosenbauer 09.05.2010 ↗ Review von Martin Oehm 25.04.2010 ↗ IFDB |
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Review von proc 12.04.2010 ausblenden
Dieser Beitrag enthält Spoiler, die den Spielspaß verderben. Wer das Spiel noch nicht gespielt hat, sollte nicht weiterlesen.
Maik Beta gehörte bis 2007 zu den aktivsten deutschsprachigen Interactive Fiction-Autoren mit einem Faible für menügesteuerte Spiele wie das Psychospiel »Die Sandkiste« (2007) und nahm zuletzt 2004 auf einem Grand Prix teil, als seine grandiose Spielidee »Allkrieg« (2004, T.A.G.), die einen Comiczeichner in dessen eigene Geschichte zaubert, den zweiten Platz erreichte. Das drakonische Grinsen ist wieder ein menügesteuertes »Choose-Your-Own-Adventure« mit Fantasy- und Rollenspielelementen, das sich in weniger als einer halben Stunde durchspielen lässt.
Der Spieler steckt als Herr Dringegeruch in der Psychiatrie fest und beschließt, noch heute auszubrechen. Diesem Spielanreiz folgend führt der Weg nach der Visite des Chefpsychiaters direkt in den Lift und über den Anstaltszaun in den Drachenwald. Den Zahlencode für den Lift könnte man als Rätselchen durchgehen lassen, ansonsten besteht das Spiel aus menügesteuerter Prosa teilweise mit einer einzigen Auswahlmöglichkeit. Im Drachenwald mutiert Herr Dringegeruch zum elfjährigen Drachen Dragomir, der ein wenig im Wasser planscht, mit Dracheuse Elvira in der Sonne herumhüpft, an Blumen schnuppert und abschließend ein Flug- und Feuerspei-Coaching beim Drachen Fafnir absolviert. Dabei geht wohl etwas schief, jedenfalls erwacht Dragomir unvermittelt inmitten einer angekokelten und partiell eingefrorenen Zeltlandschaft. Nichts wie weg, über den Trampelpfad zurück in die Psychiatrie, wahlweise ist auch der Freitod möglich. Am Ziel der motivationslosen Reise wird die Hauptfigur ihrem Albtraum entrissen und wacht in der realen Realität als Drag der Drache auf, wohlbehütet von Mami und Familie umgeben.
Da die Wirkungsmechanismen von CYOA-Abenteuern zwangsläufig mit der Erzählung zu tun haben, erwartet der Spieler zumindest hier und da einen Spannungsbogen wenn nicht einen roten Faden insgesamt zur Motivation der weiteren Reise. Derartiges sucht man in dieser Geschichte vergebens, so dass sie wirr erscheint und schon früh langweilt. Die Wege durch die Geschichte sind starr, Erkundungen außerhalb des Lösungsweges sind kaum möglich, enden im Freitod oder - wie bei der Befragung einer Ameise - in Antwortverweigerung. Die Sprache selbst wirkt kindlich, sie ist so wenig konkret dass man sich nach einigen Bildschirmseiten schon durchquälen muss und schließlich nur noch überfliegen möchte. Dabei hätten einige prosaische Ausmalungen bereits geholfen, aus Blumen lassen sich je nach Intention in Rosen oder Disteln zaubern, und dass man beim Blick nach oben den Himmel sieht ist an Trivialität kaum zu überbieten. Da könnte zumindest eine zum Feuerlöscher geformte Wolke hängen. Zwischen den vier psychedelisch anmutenden Szenerien fehlen nachvollziehbare Übergänge und es wirkt unbefriedigend, beim nächsten Klick plötzlich ein Drache zu sein oder ohne weiteren Grund in einer niedergebrannten Umgebung aufzuwachen. Und aus welchem Grund sollte man zurück in die Psychiatrie finden wollen, wenn man dort gerade fortgerannt ist?
Das Albtraum-Thema ist nicht neu und bietet fantasiereiche Möglichkeiten, den Spieler in das Geschehen einzubinden. So macht ihn Adam Cadre in seinem legendären Machwerk »Photopia« (1998) zum Erzähler seines eigenen Albtraums, Nick Montforts »Winchester's Nightmare« (1999) verhaftet den Spieler in einen bösen Traum, aus dem er verzweifelt zu erwachen versucht und Andrew Plotkins kafkaeske »Shade«-Szenerien (2000) verändern sich abhängig von den Handlungen des Spielers. Die einfachste Möglichkeit, eine funktionierende Albtraumgeschichte zu schaffen, ist der rote Faden wie das Mädchen Beatrix in Chris Klimas' »Blue Chairs« (2004), das zu suchen den Spieler durch die Halluzinationen treibt. Nichts davon ist im drakonischen Grinsen zu finden, das Spielersubjekt fühlt sich ist in diesem uninspirierten Abenteuer geradezu störend an.
Summa summarum enthält das Spiel ein Rätselchen, hier und da Rollenspielelemente, die der Spieler selbst oder über den Zufallsgenerator auswürfeln kann und eine wirre unspannende Geschichte, die sich trotz hohen Psychatrie- und Selbstmordgehalts offenbar an pubertierende Kids wendet. Maik Beta hat bereits kreative und fantasievolle Textabenteuer geschaffen und möchte uns mit dem drakonischen Grinsen offenbar einfach nur drakonisch Zugrinsen.
Gesamtwertung: 5,0
Zuletzt geändert am 12.04.2010 18:16 Uhr.